WZ vom 14.12.2016 |WUPPERTAL
Von Michael Bosse
Anwohner der Kleinen Höhe kritisieren fehlende Transparenz bei der Standortwahl.
Katernberg. Mit Begriffen wie „bittere Pille“, „erträgliche Alternative“ oder „kleineres Übel“ kann die rund 200 Besucher des Katernberger Vereinshauses an diesem Dienstagabend niemand besänftigen. Sie verfolgen die Ausführungen der Politiker von CDU, SPD und FDP über die Gründe die Kleine Höhe als Standort für die Unterbringung psychisch kranker Straftäter auszuwählen. Kritische Zwischenrufe und hämische Kommentare sind zu hören. Anna Mahlert von der Bürgerinitiative (BI) Elterninitiative fasst die Zweifel an der Entscheidung zusammen: Ihr fehle die Begründung, warum die Schaffung eines Wohngebietes auf Lichtscheid wichtiger sei als der Erhalt der Kleinen Höhe. „Ich möchte das Pro und Contra für die Entscheidung wissen.“ Originalartikel
Die Botschaft kommt nicht an
Die politischen Vertreter der CDU (Hans-Jörg Herhausen), SPD (Thomas Kring) und FDP (Marcel Hafke) bringen zwar vereinzelt Gründe für die Entscheidung vor, doch bei den meisten Zuhörern kommt die Botschaft nicht an – die Empörung über den Beschluss ist zu groß. Lediglich bei einer kleinen Delegation aus Lichtscheid treffen sie auf Zustimmung: Lautstark beklatscht sie die Ausführungen, während die große Mehrheit die Aussagen immer wieder hinterfragt.
Etliche Kritiker der Entscheidung zur Bebauung der Kleinen Höhe tragen Sweatshirts mit dem Slogan „Natur geht, Forensik kommt?“ Derweil geben sich die Vertreter von CDU, SPD und FDP Mühe, die Entscheidung zu erklären. SPD-Vertreter Kring betont, dass dem Stadtrat dieser Schritt „nicht leicht gefallen“ sei. Zudem moniert er, dass sich die Stadtspitze um den damaligen Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) zu viel Zeit gelassen habe, um gemeinsam mit dem Land einen Standort für eine Forensik zu finden.
Eine Frage der Fairness
FDP-Mann Hafke erinnert daran, dass es am Alternativstandort bei Lichtscheid schon mehrere Landeseinrichtungen gebe – unter anderem die Justizvollzugsanstalten in Ronsdorf und Remscheid-Lüttringhausen. Es sei eine „Frage der Fairness und Verantwortung“, dass nun andere Teile der Stadt für eine Landeseinrichtung herangezogen würden.
Etwas leichter mit ihren Argumenten haben es der Grünen-Vertreter Marc Schulz und Gunhild Böth (Linke). Beide lehnen die Pläne der Stadt ab und rennen damit offene Türen ein. Schulz sieht die Entscheidung für die Kleine Höhe als falsches Signal, weil damit der Flächenverbrauch im Land NRW weiter vorangetrieben werde. Zugleich zeigt er Verständnis dafür, dass der Entscheidung der Stadt „eine schwierige Debatte“ vorausgegangen sei. Insofern appelliere er an alle Beteiligten, einmal „über den eigenen Tellerrand“ zu schauen.
Forensik Hintergrund des Bauvorhabens ist die Tatsache, dass das Land NRW fünf neue Standorte für den Maßregelvollzug sucht: Einer davon soll im Bereich des Landgerichtsbezirks Wuppertal entstehen. Zunächst hatte das Land einen Forensik-Standort auf Lichtscheid favorisiert, weil es Eigentümerin des Geländes ist, auf dem jetzt noch die Bereitschaftspolizei stationiert ist. Da die Stadt das Areal aber für die Wohnbebauung erschließen will, schlug sie die Kleine Höhe als Standort für die forensische Klinik vor.
Die Bereitschaft, den Kopf zu heben, ist allerdings nur bedingt vorhanden. Die Anwesenden werfen der Stadt vor, sie wolle mit dem Verkauf des Grundstücks auf der Kleinen Höhe Kasse machen. Auch die Frage, ob es zwischen Stadt und Land schon einen Kaufvertrag für das Gelände auf Lichtscheid gebe, steht im Raum – offenbar gibt es in dieser Frage bislang lediglich Verabredungen.
Ein Besucher fragt mit kaum verhohlener Kritik, ob denn keine Besprechungsprotokolle zu dem ganzen Verfahren existierten. Klaus Lawrenz von der BI Kleine Höhe sieht in der Festlegung der Stadt auf die Kleine Höhe einen Schnellschuss „aus der Hüfte“. Nun hoffe er, dass die dort begonnenen Gutachten zu einem möglichen Forensik-Bau sorgfältig durchgeführt werden und die Verantwortlichen nach Abschluss der Untersuchungen „einen Schritt zurück“ machen und beide Standorte – Kleine Höhe und Lichtscheid – auf einer „sachlichen Basis“ miteinander vergleichen könnten. Bis es so weit ist, werden aber wohl noch ein bis zwei Jahre vergehen.
Quelle: Westdeutsche Zeitung
Herr Hafke von der FDP hat die Bebauung der Kleinen Höhe bei der Podiumsdiskussion als „Frage der Fairness und Verantwortung“ dargestellt, weil die Bürger der Südhöhen ja schon mehrere Justizvollzugsanstalten in ihrer Nähe hätten, wofür sogar Naturschutzgebiete aufgegeben worden sind – und damit viel Verantwortung übernommen haben.
Also, wir sollen im Sinne der FDP mit dem dicken SUV über die kleine Höhe fahren und freudig den Betonmischer begrüßen mit den Worten: „Ja, wir übernehmen Verantwortung“. Und unsere Kinder und Enkel werden in einigen Jahrzehnten rufen: Danke, dass ihr so verantwortungsvoll alles versiegelt habt.
Ist es nicht vielmehr so, dass die größte Herausforderung der Menschheit die dramatische Klimaveränderung ist? Haben sich nicht gerade in Paris die Mächtigen der Welt ein enorm hohes Ziel gesetzt? Ist nicht Verantwortung, sich für die natürlichen Ressourcen einzusetzen, ganz besonders vor der eigenen Haustür?
Die 68er haben ihre Eltern sehr kritische Fragen gestellt zu ihrer Stellung in Gesellschaft der 30er Jahre. Jetzt stehen wir vor auch vor einer gesellschaftlichen Herausforderung, wenn auch anderer Art. Und ich werde meinem Sohn, meinen Nichten und Enkeln sagen: Ja, ich habe Verantwortung übernommen. Ich habe gekämpft!
Aus dieser Verantwortung heraus sollten wir Frau Steffens auffordern, alle in Frage kommenden Standorte zu nennen und wenn nicht, diese auf die Merkmale „erschlossen,versiegelt“ hin untersuchen zu lassen und alle agrarwirtschaftlich nutzbaren und genutzten Flächen von der Auswahl auszuschließen. Das wäre das Mindeste, was ich von einer verantwortungvollen, dazu noch Grünen- Politikerin erwarten darf !
Ein Nachklang zur Podiumsdiskussion
– Was Büger*innen an diesem Abend gelernt haben:
Politik und politische Entscheidungen beruhen nicht auf sachbezogenen Inhalten und Entscheidungsprozessen – maßgeblich sind nicht näher zu bezeichnende Interessenlagen, die entsprechend den Machtverhältnissen in den Entscheidungsgremien, Fraktionen und letztlich im Rat im Vertrauen auf demokratisch gewählte Vertreter durchgesetzt werden.
Was Bürger*innen an diesem Abend gefordert haben:
Offenlegung der Fakten bzgl. beider potentiellen Standorte – sachbezogene und werteorientierte Abwägung durch die politischen Entscheidungsträger unter Einbeziehung der Bürgerschaft in einem Ergebnis offenen Beteiligungsverfahren.
Was an diesem Abend nicht beantwortet wurde:
Wie wollen wir in Zukunft in dieser Stadt leben? So wie es sich die Mehrheit im Rat vorstellt? Zubetoniert, bis auch die letzte Freifläche für Gewerbe oder Wohnbebauung unwiederbringbar der Natur geopfert wurde?
Wann endlich begreift auch Wuppertals Politik, dass wir nur eine Erde haben? Das Artenvielfalt und biologische Diversität unwiederbringlich vernichtet werden, wenn diese Stadt weiter so mit den letzten Freiflächen und ökologischen Ressourcen umgeht.
Keine Bebauung auf der Kleinen Höhe!
„Zubetoniert, bis auch die letzte Freifläche für Gewerbe oder Wohnbebauung unwiederbringbar der Natur geopfert wurde?“
Was wollen Sie damit sagen: Dass eine Freifläche für Bebauung der Natur geopfert wurde oder dass eine Naturfläche der Bebauung geopfert wurde? Sie haben ersteres geschrieben.