Forensik auf der Kleinen Höhe: Diskussion am Wendepunkt

Berg und Tal – Beiträge zur Stadtpolitik / https://mailchi.mp/ 21.04.2020

Wuppertaler Ratsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und CDU wollen Entscheidung in den Juni verschieben.

Dirk Lotze

Die Fläche an der Grenze zwischen Wuppertal, Velbert und Wülfrath (Archivfoto vom Sommer 2019) wird für Landwirtschaft und Erholung genutzt.

Wuppertal. Der Streit um eine geplante, forensisch-psychiatrische Klinik auf der Kleinen Höhe, an der Grenze von Wuppertal, Velbert und Wülfrath, spitzt sich zu. Die Unterlagen der Stadt Wuppertal zu dem umstrittenen Landesprojekt sind laut Gegnerinnen und Gegnern unübersichtlich und womöglich lückenhaft. Ein vermittelnder Vorschlag der Projektbefürworter sei schlicht unglaubhaft: Es werde bestimmt weitere Bebauung rund um die Klinik folgen und den Freiraum in der Region weiter zerstören. In der Wuppertaler Stadtpolitik dreht sich die Stimmung: Die maßgeblichen Rats-Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen arbeiten zusammen und wollen den Beschluss zum Baurecht nun um einen Monat verschieben. In dem Fall wäre der für die Stadt entscheidende Zeitplan schon Makulatur. Dessen Eckpunkt ist bisher die endgültige Abstimmung am 11. Mai 2020.

Originalartikel

Das Land will ein geschlossenes Krankenhaus für psychisch kranke Straftäter in Wuppertal errichten, weil es dringend Behandlungsplätze braucht. Die Stadt muss über Baurecht entscheiden. Wichtigster Maßstab ist Rechtssicherheit. Einem früheren Ratsbeschluss zufolge will sie die Einrichtung an der Kleinen Höhe ansiedeln, auf fünf Hektar landwirtschaftlichen Freiraums. Laut Experten könnten dort im Extremfall Velbert und Wuppertal zusammenwachsen und eine wichtige Frischluftschneise im Niederbergisch-Märkischen Land durchschneiden. Ein Szenario, das niemand will. Zum Beschluss für die Landesklinik hat die Wuppertaler Stadtverwaltung Ende März 2020 die nötigen Unterlagen veröffentlicht. Sie sehen umfangreiche Beschränkungen für die Baumöglichkeiten vor, im Hinblick auf Landschafts-, Klima- und Artenschutz. Gleichzeitig veröffentlichte Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) einen zusätzlichen Beschlussvorschlag: Es soll anschließend keine weiteren Baupläne für die Kleine Höhe mehr geben.

Zeitablauf ist heikel

Der Zeitablauf ist für Wuppertal heikel: Das Land will die Klinik bis Jahresende gesichert haben, sonst kommt der Komplex auf ein anderes, brach liegendes Grundstück im Stadtteil Ronsdorf. Dort aber will die Stadt später Gewerbe ansiedeln. Stadt und Land haben den Ablauf im Mai 2019 verbindlich vereinbart. Den Bruch riskieren nun ausgerechnet Wuppertals CDU und Grüne: Sie wollen einen Monat später entscheiden und erklärten: „Beide Fraktionen wollen jetzt die Zeit bis zur Sitzung im Juni nutzen, noch einmal intensiv zu beraten und insbesondere Bezirksvertretung, Fachausschüsse  und  Rat  angemessen einzubeziehen.“ Gemeinsam sind diese Fraktionen im Rat bestimmend, haben aber nicht die absolute Mehrheit. Für Beschlüsse müssen sie Mitglieder anderer Parteien überzeugen.

Unterdessen prüft die Bürgerinitiative Kleine Höhe die umfangreichen städtischen Entwürfe. Für die Unterstützerinnen und Unterstützer geht es um die Frage, ob von mehr als 1400 Einwendungen gegen das Projekt womöglich ein Teil unberücksichtigt blieb. In dem Fall könnte der Bebauungsplan kippen.

Die Initiative hat sich sogar aktiv in die Ratsdebatte eingeklinkt: Mitglied Anna Mahlert, zugleich aktiv in der Wuppertaler CDU, stellt einen Bürgerantrag gegen die Klinik. Damit darf sie nach Wuppertaler Stadtrecht im Hauptausschuss sprechen. Ansonsten müsste die Initiative vom Publikum aus zuschauen. Der Hauptausschuss wiederum wird voraussichtlich ausnahmsweise über den Klinikplan entscheiden: Die Ratsmitglieder können vor dem Hintergrund der Corona-Krise im Einzelfall auf Sitzungen verzichten, damit weniger Menschen eine Ansteckung riskieren müssen. Die Möglichkeit dazu hat der Landtag vergangene Woche geschaffen, im NRW-Epedemiegesetz. Eine Lösung, die Oberbürgermeister Mucke für Wuppertal befürwortet: „Das wäre natürlich besser, weil sich im Hauptausschuss jeder Stadtveordnete vertreten lassen kann und somit Mitglieder der Risikogruppen nicht zu erscheinen brauchen.“

Kritische Stimmen zu Vorschlag des Oberbürgermeisters

Muckes Vorschlag wiederum, mit der Klinik einen Schlussstrich zu ziehen unter die Bebauung auf der Kleinen Höhe, trifft auf Unglauben. Der Nevigeser Dr. Peter Egen, früher für die CDU in den Stadträten von Neviges und Velbert und ehemaliger Angehöriger des Kreistags in Mettmann hat die Bürgerinitiative Kleine Höhe mehrfach beraten – und nennt Muckes Vorstoß sogar „Bauernfängerei“. Egen: „Was Oberbürgermeister Mucke da gesagt hat ist eine billige Masche, die nicht ziehen wird und die uns nicht weiter bringt.“ Und: „Es geht nicht gegen die Forensik. Es geht gegen die Zerstörung der Landschaft auf der Kleinen Höhe. Ich wäre sogar dagegen, wenn da eine Volkshochschule hin käme.“ Nur ganz am Anfang, vor Jahrzehnten, sei er kurzzeitig für ein Gewerbegebiet auf der Kleinen Höhe gewesen. Er habe dann seine Meinung geändert und sei dabei geblieben: „Ich habe eingesehen, dass das so ein wunderschönes Gebiet ist, dass man dort nicht bauen darf.“

Gabriele Schnabel, Sprecherin der Bürgerinitiative, stellt klar: „Was uns fehlt ist die Abwägung zwischen den möglichen Standorten und die Abwägung der Schutzgüter: Luftschneisen, Wasser, Boden und Artenschutz. An der Kleinen Höhe geht es um den Verlust von Ackerboden, auf dem Lebensmittel produziert werden. Für uns ist in dieser Diskussion ein Wendepunkt erreicht, in dem sich entscheidet, in welche Richtung wir in Zukunft gehen wollen – im Hinblick auf Flächen, Böden, Artenvielfalt und Klimaschutz.“

Schnabel fügt hinzu: „Wir änderen unsere Meinung nicht. Wenn die Initialbebauung erfolgt, ist der weiteren Bebauung Tür und Tor geöffnet. Der nächste Rat oder der übernächste kann wieder anders entscheiden. Das bietet keine Sicherheit. Der Eingriff in Ökologie, Landschaftsschutz und Frischluftschneise wäre dann durch den Bau der Klinik schon erfolgt. Die Leute lechzen nach Sonne und Freiraum, das sieht man an den vielen Spaziergängern auf Nevigeser und auf Wuppertaler Seite. Das zeigt den Stellenwert, den die Kleine Höhe hat.“


Demokratische Vertretung

Das Landesrecht ermöglicht ausnahmsweise vereinfachte Entscheidungen in den Städten und Landkreisen während der Krise durch die Coronavirus-Krankheit. Ziel ist möglichst großer Schutz aller Beteiligter gegen Ansteckung.

Entscheidungen sollen demokratisch getroffen werden, im Fall der Städte durch die gewählten Stadtverordneten. In Frage kommen ausnahmsweise Beschlüsse im kleineren Kreis. Grundlage ist das Selbstbestimmungsrecht der Städte mit ihren Bürgerschaften.

Die Landesregierung hat eine Beratungsstelle für Stadtverwaltungen, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eingerichtet, um sie bei der Arbeit mit den geänderten Verfahren zu beraten.


Infos im Netz
Die städtischen Unterlagen im Ratsinformationssystem
Bebauungsplanentwurf forensische Klinik Kleine Höhe
https://ris.wuppertal.de/vo0050.php?__kvonr=23709

Änderung des Flächennutzungsplans für die Klinik
https://ris.wuppertal.de/vo0050.php?__kvonr=23715

Vorschlag des Begleitbeschlusses:
https://ris.wuppertal.de/vo0050.php?__kvonr=23850

Quelle: https://mailchi.mp
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Ein Gedanke zu „Forensik auf der Kleinen Höhe: Diskussion am Wendepunkt“

  1. Geld oder Zukunft?

    Die Mehrheit der Ratsmitglieder hat sich an der öffentlichen Diskussion um eine Bebauung der Kleinen Höhe nicht namentlich beteiligt.
    Würde dieser Rat Katernbergs Widerstand überstimmen, um an der Parkstaße eine Gewerbefläche statt einer Forensik zu erhalten, wäre dies nicht nur in harter Konfrontation zum Stadteil demokratisch miserabel legitimiert, sondern bei sich beschleunigendem Klimawandel eine Todsünde zu Lasten künftiger Generationen.

    Falls so durch nakte Machtdurchsetzung ‚gesamtstädtische Interessen‘ (Gewerbesteuereinnahmen) gegenüber Klima- und Landschaftsschutz die Oberhand gewinnen, darf man sich nicht wundern, wenn jüngere Generationen sich durch solche Politik eher bedroht als vertreten fühlen. Der Wuppertaler Rat sollte vorrangig seiner Verantwortung gegenüber diesen Generationen gerecht werden, anstatt die vielfältigen kritischen Auswirkungen des Vorhabens auf der Kleinen Höhe klein ‚zu reduzieren‘ und den Stadtteil Katernberg zu brüskieren.

    Und die Landesregierung sollte sich fragen, ob sie dem Wuppertaler Anachronismus noch länger zusehen, anstatt die eigene Fläche für die Forensik verwenden und damit einer von vielen Bürgern unterstützten, nicht absehbaren rechtlichen Auseinandersetzung mit der BI Kleine Höhe aus dem Wege gehen will.

    Die gegenwärtige Krise gibt uns allen die Chance zu Erkennen, dass menschliche Kraft und Stabilität zu ihrer Bewältigung sich aus dem Erholungswert unserer Landschaft speisen, was leider durch immer weitere, keineswegs krisenfeste Gewerbeparks bedroht wird.

    Hanno Ernst Zimmerle

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